Medikamentenmissbrauch und Medikamentenabhängigkeit
In der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt ging es um ein Thema, das in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Im Vergleich zu anderen Abhängigkeitserkrankungen fand die Medikamentenabhängigkeit in der Vergangenheit eher selten Beachtung in der Öffentlichkeit. Eine Arbeitsgruppe am Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, in der verschiedene Institutionen und Interessierte mitarbeiten, hielt eine Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit für sehr wichtig. Die gemeinsame Veranstaltung unter Federführung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt am 17.01.2009 leistete dazu einen Beitrag.
Medikamente sollen eigentlich dazu dienen, Krankheiten zu heilen, Krankheiten vorzubeugen oder sie zu lindern. In den meisten Fällen werden Medikamente verantwortungsvoll verschrieben bzw. eingenommen, auch solche, bei denen z.B. ein Suchtpotential vorhanden ist. Dennoch gibt es Menschen, die aus unterschiedlichen Ursachen heraus in eine Medikamentenabhängigkeit geraten bzw. Medikamente missbräuchlich anwenden.
Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie zu Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit, die am 13. November 2006 veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass es 1,4 bis 1,9 Millionen Medikamentenabhängige in Deutschland gibt. Damit erreicht die Medikamentenabhängigkeit ein vergleichbares Maß wie die Alkoholabhängigkeit.
Dem Medikamentengebrauch liegen zunächst Befindensstörungen, Beschwerden und Erkrankungen zugrunde. Hinzu kommen Belastungen im Alltag – in der Erwerbsarbeit, Familie oder in der Partnerschaft.
Anders als bei anderen legalen und illegalen Suchtmitteln muss bei Medikamenten der Kontext der medizinischen Behandlung und Versorgung berücksichtigt werden. Bei jeder medikamentösen Behandlung stellt sich die Frage nach therapeutischem Nutzen einerseits und möglichen Risiken und unerwünschten Wirkungen andererseits.
Die eben zitierte Studie konzentriert sich insbesondere auf Schmerzmittel sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine als der wichtigsten Arzneimittelgruppe mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die überwiegende Anzahl der Ärztinnen und Ärzte Benzodiazepine verantwortungsvoll einsetzt, was Verordnungsanalysen belegen. Es sollte aber auch die Verantwortung der Patientinnen und Patienten für sich selbst nicht vergessen werden. Der Stärkung der Gesundheitskompetenz und Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten kommt auch in Bezug auf einen angemessenen Gebrauch von Medikamenten mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential eine wichtige Rolle zu.
Insgesamt ist der Schmerzmittelgebrauch in den letzten Jahren relativ konstant geblieben und die Verordnung von Benzodiazepinen ist zugunsten weniger riskanter Arzneimittelgruppen zurückgegangen. Es wird jedoch festgestellt, dass Frauen und ältere Menschen häufiger problematische Medikamente verschrieben bekommen und diese auch häufiger gebrauchen. Die vorliegenden Schätzungen und Daten deuten übereinstimmend darauf hin, dass es mehr medikamentenabhängige Frauen als Männer gibt.
Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen, Schlafstörungen und Schmerzerkrankungen sowie die Versorgungsstrukturen dieser Erkrankungen weisen bislang Defizite auf, die den problematischen Konsum von Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln als Kompensation fehlender Hilfsangebote erscheinen lassen.
Die Versorgung Abhängigkeitskranker in Deutschland setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Prävention, Beratung, Behandlung, Nachsorge und Selbsthilfe. Mit all diesen Angeboten werden Medikamentenabhängige nur unzureichend angesprochen und erreicht. Bei der Bewilligung ambulanter und stationärer Entwöhnungsbehandlungen liegt die Behandlung von medikamentenabhängigen Patientinnen und Patienten bei unter 1 Prozent. Auch in der Suchtselbsthilfe sind Medikamentenabhängige unterrepräsentiert.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier:
Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit
Leitfaden für die ärztliche Praxis
Medikamente: Abhängigkeit und Missbrauch
Leitfaden für die apothekerliche Praxis
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen: